Wem gehören die Daten in meinem Adressbuch

 

Wem gehören die Daten in meinem Adressbuch?

“Mir natürlich!” ist für mich die einzig mögliche Antwort auf diese Frage. Nur scheint das ein Teil der Internet-Branche etwas lockerer zu sehen. Nicht nur haben Facebook & Co. eine andere Auffassung davon, was privat ist und was nicht, sie handeln auch regelmäßig danach.

Jüngstes Beispiel ist Path, das in den letzten zwei Tagen für Schlagzeilen sorgte. Das Startup eines ehemaligen Facebook-Mitarbeiters betreibt eine Foto-Community, über die man Schnappschüsse, Videos und Tipps austauschen kann. Die Apps von Path für iPhone und Android erfreuen sich vor allem in USA großer Beliebtheit weil sie einfach zu bedienen sind und einen klaren Fokus auf den Austausch von Fotos mit engen Freunden haben – eine gute Alternative zum Funktions-Overkill von Facebook. Nun hat diese Woche ein US-Entwickler entdeckt, dass die neueste Version der iPhone-App bei der Installation ohne Wissen des Nutzers sein gesamtes Adressbuch auf den Path-Server hochlädt.

Eine “interessante Diskussion”

Sogar in den USA mit seinen freizügigen Datenschutzgesetzen war die Empörung darüber groß. Nach einem halbherzigen Beschwichtigungsversuch auf der Webseite des Entwicklers sah sich Path-Gründer Dave Morin durch den ausgelösten Shistorm dazu genötigt, öffentlich Abbitte zu leisten und “einen Fehler” zuzugeben. Soweit so gut. Nur war Morins Verhalten in den 24 Stunden bis dahin bezeichnend für die Haltung der meisten sozialen Netzwerke gegenüber privaten Nutzerdaten auf ihren Servern – und die macht ganz einfach wütend.

Morins erste Reaktion auf die Entdeckung seines “Fehlers” liest sich nämlich so: “Wir denken, dass dies eine wichtige Diskussion ist und nehmen sie sehr ernst. Wir laden das Adressbuch auf unseren Server, um den Nutzer dabei zu helfen, möglichst schnell seine Freunde zu finden und mit ihnen in Verbindung zu treten. […] Wir glauben, dass diese Art des Freunde-Findens sehr wichtig für die Industrie ist und dass es wichtig ist, dass die Nutzer das klar verstehen, weshalb wir proaktiv ein Opt-in in die Android-App vor einigen eingebaut haben und das auch in die Version 2.0.6 für iOS ausrollen.” Zu guter Letzt bietet Morin auch eine Löschung der Daten an, falls man mit der Praxis nicht einverstanden ist. Eine kurze E-Mail würde genügen.

“Wichtig für die Industrie”

Abgesehen davon, dass es sich hier nicht um eine “Diskussion” handelt sondern um eine auch nach US-Standards eklatante Verletzung des Datenschutzes, und dass eine Löschung der Daten, die auf diese Weise gesammelt wurden, nicht auf Wunsch des Nutzers sondern selbstverständlich und unverzüglich von Path selbst vorgenommen werden müsste, lässt einen Morins Begründung sprachlos. Diese Art des Freunde-Findens sei “wichtig für die Industrie”, der Nutzer müsse das verstehen und dafür seine Genehmigung erteilen. Geht’s noch?

Wir wissen nicht, wie Dave Morin heute die Frage im Titel dieses Beitrags beantworten würde – wahrscheinlich hat er fürs erste seine Lektion gelernt. Ob der Rest der Branche im Silicon Valley, New York und anderswo auch etwas dabei gelernt hat, darf bezweifelt werden. Es ist gar nicht so lange her, als Facebook für einen ähnlichen Vorfall deutsche Datenschützer auf die Barrikaden trieb und zunächst ernsthaft behauptete, die Daten im Adressbuch eines Nutzers gehörten ja gar nicht dem Nutzer sondern den Personen, die darin aufgeführt werden.

Den Nutzer zur Toleranz erziehen

“Daten sind das Öl des Informationszeitalters”, sagte Xing-Chef Stefan Groß-Selbeck auf der diesjährigen DLD-Konferenz in München. Kein Zweifel: Daten sind bereits der Treibstoff von Firmen wie Facebook oder Google und ihre Bedeutung als Umsatz- und Erkenntnisquelle wird für immer mehr Unternehmen zu einem Stützpfeiler ihres Business – Tendenz steigend. Und laut Heidi Messer, CEO des Knowledge-Networks Collective[i], haben Firmen wie Apple oder Amazon ihrer Konkurrenz voraus, dass sie “ihre Daten als strategischen Wert entdeckt und ihn sich entsprechend zu Nutze gemacht haben.”

Rein faktisch gesehen hat sie mit ihrer Aussage recht und der Erfolg sei intelligenten Firmen wie die oben genannten auch gegönnt. Es ist nur die Selbstverständlichkeit, mit der Grenzen überschritten, Toleranzen ausgenutzt und neue Tatsachen geschaffen werden, die nicht nur mich auf die Palme treibt, frei nach dem Motto: Zurückrudern braucht man erst wenn alle zu schreien anfangen, bis dahin “erzieht” man den Nutzer zu mehr Toleranz. Wie sagte noch Frau Messer auf derselben DLD-Sitzung: “Die Leute müssen langsam weg von Haltungen wie ‘Diese Daten gehören mir’.” Sie würden sich nach und nach an die Personalisierung von Internet-Diensten gewöhnen und verstehen, dass ihre Daten nicht missbraucht, sondern im Endeffekt nur dazu genutzt werden, um ihnen interessantere Werbung anzuzeigen – was sollte man da schon dagegen haben?

 

Hier gehts zum Original Thread

 

Quelle: blog.chip.de

 

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